Der Mann als Gourmet
Maenner neigen zu Extremen, das ist bekannt. Sie sind entweder Bungee- Jumper
oder faule Couch-Potatoes. Sie streben eine Seelenverwandtschaft mit Wolfram
Siebeck an ("Die Zugehoerigkeit zur Huehnerfamilie legt es nahe, ein Perlhuhn
als Frikassee zu schmoren"), oder sie koennen Gruenkohl nicht von Ananas
unterscheiden. Dazwischen gibt es nix.
Genauso ist es mit dem Trinken. Entweder Flens oder den '81er Lacrima Christi.
Jeder normale Mensch schafft es, Wein zu geniessen, ohne dabei den Verstand zu
verlieren. Maenner nicht.
Kaum, dass der Kellner einen Fingerhut eingeschenkt hat, fuehlen sich Maenner
gefordert. Ihre Augen treten hervor, sie fangen an zu schwitzen, und es
beginnt: Mit aufgeblasenen Backen wird von einer Seite zur anderen gerollt und
gegurgelt, als haette er nicht einen Chateau Chinon, sondern Odol im Mund.
Anschliessend wird auf dem Wein wie auf einem alten Stueck Dachpappe
herumgekaut, und ganz Eifrige haben in "Wein fuer Einsteiger" gelesen, dass
"das Ansaugen von Luft durch die spaltbreitgeoeffneten Lippen" fuer die
Aromaentfaltung hilfreich sei, wobei der Wein oft auf die Krawatte gesabbert
wird - aber na ja.
Waehrend der Streber also gurgelt und kaut und rollt, schwenkt er das Weinglas
wirr hin und her, haelt es vor das Licht und starrt es so an, als ob er von
Calgonit fuer das aufspueren von Kalkschlieren bezahlt wuerde. Bis er endlich
zu einem Urteil kommt (etwa "Hm, hm" oder "undurchsichtiges Lakritz, aber zur
mittleren Dichte hin skelettartig amorph"), kann der Abend lang werden. Man
kann sich aber das Warten verkuerzen, indem man in der Zwischenzeit den
attraktiven alleinessenden Herrn vom Nebentisch vergewaltigt oder mit dem
Kellner eine Runde Mau-Mau spielt.
Natuerlich war das nicht immer so. Genaugenommen ist der Wein dem Manne
schnurz
und heimlich trinkt er immer noch am liebsten eine Dose Becks. Aber : "Du
musst
die Dose mit dem Zippel zu dir hin aufziehen" klingt eben nach nichts im
Vergleich zu "Vergiss nie, dass ein Barrique immer etwas nervoes ist!".
Maenner
leben dafuer, Frauen zu belehren. Hobbykoeche muessen die Kueche mit Feigen im
Palatschinkenhemd revolutionieren und Wochenend- Vinologen ueber das
Dekantieren dozieren. Des Mannes Wille ist sein Himmelreich. Der Weg dorthin
ist allerdings lang und dornig. Zunaechst muss der Mann sich in die Materie
einlesen, was einigermassen schwierig ist, weil er dabei seinen inneren
Widerstand gegen das gedruckte Wort ueberwinden muss. Hat er aber das
geschafft, ist kein Halten mehr.
Der "Grosse Johnson" ist bei jedem Pizzaessen dabei und schon nach wenigen
Monaten gelingt es ihm, blind einen Pinot Grigio von einem Chianti zu
unterscheiden. Dann werden die Senfglaeser weggeschmissen und zartes Riedel-
Kristall gekauft, das man nur einmal kurz anbruellen muss, damit es
zerspringt,
und es folgen die Monate des Kampftrinkens. Wie im richtigen Leben gilt auch
hier: nur die Staerksten kommen durch. Ob Bernkasteler Doktor zum Fruehstueck,
Wawerner Ritterpfad zu Mittag oder Winkeler Hasensprung am Abend - selbst
Anbaugebiete von der Groesse einer Badematte werden gurgelnd und spuckend wie
ein Lama getestet, nicht dass da jemand glaubt, ihn mit einem '89er Arbois
Pupillin uebers Ohr hauen zu koennen!
Bei der kniffligen Aussprache der franzoesischen Weine ("Spricht man beim
Chambolle-Mussigny das 'gn' wie 'g' oder wie 'n' aus?") werden
muttersprachliche Spezialisten zu Rate gezogen, daran soll es schliesslich
nicht scheitern.
Die dritte und letzte Etappe in der Entwicklung zum Kenner ist die der
Einrichtung eines eigenen Weinkellers. Jetzt ist es auch nicht mehr weit zum
Rasenkantenschneider und zum Autofahren mit Jaegerhut. Der Mann aber, und das
hat die Vinologie mit den Auswirkungen der Alzheimer'schen Krankheit gemein,
kriegt von der galoppierenden Verbloedung selbst nichts mit. Tagelang kann er
sich stillvergnuegt damit beschaeftigen, eine 300 Jahre alte Flasche Portwein
mit einer gluehenden Zange so zu oeffnen, dass der Korken nicht broeselt. Wird
er angesprochen, gibt er immerzu das gleiche von sich, naemlich "Rot folgt auf
Weiss!" oder "Trocken kommt vor Suess!" oder "Alt folgt auf Jung!", auch wenn
man ihn gefragt hat, wieviel Uhr es ist.
Am wohlsten fuehlt er sich in der Gesellschaft von Gleichgesinnten. Bei der
Cabernet-Diskussion blueht er richtig auf. Wenn man also dafuer sorgt, dass
diese Weinverkostungen in der Art von Kindergeburtstagen regelmaessig
veranstaltet werden, kann man an so einem Mann noch lange Freude haben.
Quelle: Playboy 10/95, Rubrik "Typisch Mann"
Autor: Petra Reski
Diese Seite ist Teil von derfuchsi.de !